Interessante Trades aus der Rubrik "Live" oder Spontantrades werden hier näher analysiert. Ich gehe vor allem auf die technische Seite ein, bei Domtrader1 teilweise auch auf den zugrundeliegenden Geisteszustand (sofern es einen definierbaren gab).

Die Trades werden wie im folgenden Schema gezeigt. Die gestrichelte, senkrechte, graue Linie zeigt den Zeitpunkt, an dem die Order eingestellt und die Idee publiziert wurde. Die hellblauen waagrechten Linien sind Entry (Einstieg) und Target (Ziel), der hellblaue Pfeil zeigt die Richtung des Trades. Die rote, waagrechte Linie ist der Stop.

Am einfachsten lassen sich die Trades anschauen, wenn man die Charts mit Shift + Klick in einem neuen Fenster öffnet.

 
 
 
 
 

Beiträge

CRV, ein anderer Blickwinkel       06.12.2021
Target oder Vorhersage?       07.12.2021
Double Bottom       09.12.2021
Geduld und Vertrauen       13.12.2021
Breakout Trade       02.06.2022
Massarbeit: Verstand oder Glück?       23.09.2022


CRV, ein anderer Blickwinkel

Trader: Domtrader106.12.2021

CRV ist das Chance-Risiko-Verhältnis (Reward-to-Risk Ratio), also potentieller Gewinn geteilt durch potentieller Verlust bzw. (Target-Entry)/(Entry-Stop). Bei einem CRV von 3 ist das Target drei Mal grösser als der Stop. Meistens bewegt sich der CRV zwischen 1 und 5. Heute wollte ich allerdings mit einem Stop von 4 Ticks einen Gewinn von 50 Ticks machen, hatte also einem CRV von 12.5. Die Idee war gut und das Target wurde erreicht. Leider wurde der Trade aber nicht ausgelöst, weil der Preis nicht mehr hoch genug zum Entry kam. Das war Pech. Oder nicht? Meine Idee war, dass ich einige Ticks unter dem bisherigen Hoch einsteige. Ich hatte allerdings die dünne rote Linie nicht eingezeichnet. Diese zeigt, dass die letzten Minutenhochs langsam nach unten gehen. Extrapoliert man diese "Trendlinie" um ein paar Minuten, kommt man eher auf einen Entry um 68.17 und nicht 68.25. Die 68.21 wurden dann erreicht. Technisch gesehen könnte man also sagen, dass ich meine Chancen für eine Ausführung des Trades deutlich verringert habe, weil ich oberhalb dieser roten Linie einsteigen wollte. Bei einem Entry unterhalb der roten Linie bei 68.15 wäre der CRV immer noch über 2.5 gelegen. Abgesehen von der technischen Seite war ich mir nicht sicher, ob der Trade wirklich funktioniert. Mein Eindruck war, dass der Tag gesamthaft leicht nach oben tendiert. Der Eindruck war richtig. Das Target wurde knapp erreicht und dann ging es für den Rest des Tages 200 Ticks nach oben. Aufgrund der Unsicherheit habe ich also weniger riskiert (4 Ticks statt 14), das CRV erhöht und deswegen den Trade verpasst. Ich wollte weniger investieren und trotzdem den gleichen Gewinn machen. Leider hat das nicht funktioniert, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass der Trade überhaupt zustande kommt. Was lerne ich daraus? Das CRV sollte einzig von den Charts abhängen und nicht vom eigenen Befinden. Wenn ich Zweifel habe, lieber gar nichts machen und zuschauen. Wenn ich überzeugt bin, dann richtig investieren.

Shift + Klick öffnet das Bild in einem neuen Fenster top

Target oder Vorhersage?

Trader: Trendfriend07.12.2021

Welchen Preis wird der Markt erreichen? Was ist das richtige Target für meinen Trade? Leider ist das nicht das gleiche. Trendfriend hat um 15:59 das Ziel bei 73.00 gesetzt. Gegen 17 Uhr wurde der Tageshöchstwert mit 73.03 erreicht. Das ist eine unglaubliche Vorhersagegenauigkeit. Leider geht es beim Handeln nicht um genaue Vorhersagen. Es geht darum, eine Anzahl von Ticks zu sichern, bevor der Stopp erreicht wird. Anders ausgedrückt, welcher Preis wird ganz sicher erreicht, bevor es ein Risiko gibt, dass der Stopp ausgelöst werden könnte? Der Entry war kurz oberhalb der dicken lila Linie, die das Hoch von 13 Uhr bezeichnet. Nach Kapitel 5.2 im E-Book sollte der Preis also zumindest bis zum Hoch von 16 Uhr gehen. Wenn man den langen Kerzendocht von 16 Uhr abzieht und ein paar Ticks Reserve gibt, landet man bei einem Preis um 72.15. Dieser wurde locker erreicht. Das wären sichere 20 Ticks gewesen bei einem CRV von 2, also ein perfekter Trade. Warum hat Trendfriend das nicht gemacht? Ich kann nur spekulieren. Bei mir ist es so, dass ich manchmal genau weiss, wo der Markt hin will. Meine Vorhersagen sind dann sehr präzise, auch wenn sich der Markt um mehr als 100 Ticks bewegt. (Das ist nicht verwunderlich. Ich habe jahrzehntelange Erfahrung in der Prognose von Wetter, Hydro, Strompreisen, Stromverbrauch.) Meine Risikotoleranz lässt es allerdings nicht zu, die Vorhersagen richtig zu handeln, da ich selten einen Stop grösser als 10 Ticks verwende. Das kann Frustration erzeugen. Man weiss genau, wohin der Markt geht, will aber nicht genug riskieren, um die Situation wirklich sauber zu handeln. Hier sollte man ehrlich zu sich selbst sein. Wenn man nicht entsprechend investieren will, dann akzeptiert man das und nimmt ein kleineres Target. Dann akzeptiert man gleichzeitig auch, dass man viel weiss, aber das Wissen nicht in Gewinn umsetzen kann. Das ist hart. Trading is simple, but not easy.

Shift + Klick öffnet das Bild in einem neuen Fenster top

Double Bottom

Trader: Topstepper09.12.2021

Manchmal hat man kein Glück, dann auch noch Pech. So ging das heute Topstepper. Der erste Einstieg bei 71.50 war zwar deutlich höher als das zweite Tief des 5-Minuten Double Bottom, aber der zeitliche Abstand zum Tief stimmte und aufgrund des starken positiven Volumens war zu erwarten, dass das folgende Tief deutlich höher liegen würde. Was gegen den Einstieg bei 71.50 sprach: auf dem 1-Minuten Chart war der ema20 dabei, den ema100 zu brechen. Für viele Strategien, z.B. basierend auf MACD, ist das ein Verkaufssignal. Daraus resultierte vermutlich der Verlust von 10 Ticks. Der zweite Einstieg war dann 2 Ticks über dem letzten Tief, im Bereich des Schnittpunktes von 5-min Trendlinie (braune Linie) und Niveau des Tiefs (lila Linie). Der Schnittpunkt von einer diagonalen und einer horizontalen Linie ist meistens ein guter Einstieg, weil Leute mit verschiedenen Strategien dort handeln und deswegen dort mehr Orders liegen. Leider wurde der Einstieg um einen Tick verpasst und die möglichen 65 Ticks Gewinn nicht realisiert. Damit muss man leben. Das wichtigste ist, danach zu lächeln und keine Frusttrades zu machen. Topstepper scheint dies gut gelöst zu haben. Er hat die Order um 15:53 eingestellt und den nächsten Kommentar um 17:46 geschrieben, vermutlich war er in der Zwischenzeit nicht vor dem Rechner. Set and forget.

Shift + Klick öffnet das Bild in einem neuen Fenster top

Geduld und Vertrauen

Trader: Topstepper13.12.2021

Geduld und Vertrauen in die eigene Entscheidung sind extrem wichtig und entscheiden letztlich, ob man langfristig ein profitabler Trader wird oder nicht. Egal wie gut Technik und Marktverständnis sind. Topstepper hat heute zwei sehr gute Trades geplant, aber dann nach einiger Zeit die Geduld oder das Vertrauen verloren und die Ideen auf inaktiv gesetzt. Die erste Idee um 13:37 war, bei R1 long zu gehen (rote Linie auf 30-min Chart. Nachdem der Preis um 14 Uhr hochging, war klar, das die aktuelle Welle vorbei war, also hat er die Idee inaktiv gesetzt. Als dann gegen 14:10 die 5-min Trendlinie nicht gebrochen wurde und der Preis wieder nach unten ging, hat er die Idee neu eingegeben. Als die Trendlinie dann doch gebrochen wurde, hat er sie wieder inaktiv gesetzt. Eine Stunde später hätte der Trade funktioniert. Topstepper hätte gar nichts tun müssen, nur warten. Die dritte Idee war, bei der lila Linie im 5-min Chart short zu gehen. Dieser Trade wäre ein Paradebeispiel gewesen für die Kapitel 5.2 und 5.3 im E-Book, wobei das Target hier sehr konservativ gewählt wurde, oberhalb von ema20. Um 14:48 wurde die Idee inaktiv gesetzt, um 14:58 wäre der Trade ausgelöst worden. Warum hat Topstepper die Idee verworfen? Zwischen 14:40 und 14:48 hat sich relativ viel Volumen aufgebaut im Bereich um 71.50, also nur etwa 10 Ticks unter dem geplanten Einstieg (siehe 1-min Chart). Wenn so ein Volumenaufbau stattfindet, passiert es ab und zu, dass der Preis deutlich weiter auf die andere Seite der lila Linie geht als geplant. Vielleicht war der Trade aus diesem Grund für Topstepper zu riskant. Im 5-min Chart sieht man allerdings trotz der höheren Werte bei 71.50 weiterhin eine sehr schöne Form des Volumenprofils mit einem klar definierten Minimum nahe der lila Linie. Auch hier hätte Topstepper gar nichts tun müssen, nur warten und in die eigene Analyse und Entscheidung vertrauen. Der Unterschied zwischen Geduld und Vertrauen auf der einen Seite und Zweifel auf der anderen Seite war heute bei Topstepper 49 Ticks.

Shift + Klick öffnet das Bild in einem neuen Fenster top

Breakout Trade

Trader: Domtrader102.06.2022

Ein wunderschöner, einfacher Breakout-Trade. Die lange lila Linie im 1-min Chart markiert das Maximum von 16 Uhr. Ich habe den Entry 2 Ticks oberhalb der Linie gesetzt und das Target etwas unterhalb R1 (braune Linie im 1-min, blaue Linie im 30-min Chart). Nach knapp zwei Minuten war das Target erreicht. So macht handeln Spass, bitte mehr davon. Den Stop habe ich mit 10 Ticks eher grosszügig gesetzt. Der Grund ist, dass bei Breakouts sehr viele Orders in kurzer Zeit abgearbeitet werden und Bid und Ask Preis weit auseinanderliegen können. Man kann mit einem engen Stop also leicht ausgestoppt werden. Wenn ich dagegen darauf spekuliert hätte, dass der Preis an der lila Linie abprallt und wieder nach unten geht, hätte ich den Stop sehr eng gesetzt, 2 Ticks über der Linie.

Shift + Klick öffnet das Bild in einem neuen Fenster top

Massarbeit: Verstand oder Glück?

Trader: Domtrader123.09.2022

Kurz nach 16:18 habe ich eine Limit-Order eingegeben mit Entry bei 78.68, Target 20 Ticks, also 78.88, Stop 6 Ticks. 30 Sekunden später wurde der Entry genau erreicht, innerhalb einer guten Minute dann das Target, ebenfalls auf den Tick genau. 2 Minuten später wäre der Stop erreicht worden. Das war Massarbeit oder eben Glück. Allerdings war die Überlegung dahinter sehr sinnvoll. Ab dem Open, also 15 Uhr, ging der Preis stark nach unten, aber das Volumen massiv nach oben, um etwa 4000 Einheiten (Cumulative Delta im 5-min Chart). Bei Range-Tagen sind es oft nur mehrere hundert in dieser Zeitspanne. Bei so einem starken Kaufvolumen geht der Abwärtstrend normalerweise zu Ende und der Preis pendelt sich in einer Range ein oder geht hoch zu VWAP. Das ist in den folgenden Stunden auch passiert, aber mit Ausschlägen nach unten. Die Analyse des Volumens bezog sich also auf einen Zeitrahmen von mehr als einer Stunde.

Den konkreten Einstieg habe ich aufgrund der Struktur im 1-min Chart gewählt. Das dritte Tief (schwarze Pfeile) lag höher als das zweite und wurde von einer langen grünen Kerze beendet. Also ging ich davon aus, dass auch im Minutenzeitraum der Abwärtstrend zu Ende ist und nun ein Aufwärtstrend einsetzt. Ich habe den Entry 5 Ticks über dem Tief gesetzt und den Stop direkt darunter. Ich war mir sicher, dass der Preis mindestens bis ema20 auf dem 5-min Chart geht, also mindestens bis 79.05, eher bis 79.20 oder 79.30. Da ich aber den ersten Trade des Tages häufig auf 20 Ticks begrenze, habe ich das Target bei 78.88 gesetzt. Da ich völlig überzeugt war, dass der Trade funktioniert, bin ich vom Rechner weggegangen, sobald der Entry ausgelöst war. Die Überzeugung hat also zumindest dazu geführt, dass ich einen Set-and-Forget Trade gemacht habe, also weder den Stop nachgezogen habe oder zu früh rausgegangen bin.

Der Verstand hat also die Richtung des Trades definiert und einen guten Einstieg im 1-min Chart gefunden. Das Glück hat dazu geführt, dass Entry und Target auf den Tick genau erreicht wurden. Die Überzeugung hat dafür gesorgt, dass die gesamte Ausführung des Trades gut war. Verstand oder Glück ist also die falsche Frage. Man braucht beides, und dazu noch die feste Überzeugung, dass es funktioniert. Und trotzdem zeigt einem der Markt dann, dass man eigentlich völlig falsch gelegen hat.

Aber nach einem Gewinn kann man das verkraften.

Shift + Klick öffnet das Bild in einem neuen Fenster top